4. Manuelle Therapie
4.1 Einführung
Die manuelle Therapie ist eine spezialisierte physiotherapeutische Behandlungsmethode zur Diagnostik und Behandlung von Funktionsstörungen des Bewegungsapparates. Sie basiert auf wissenschaftlich fundierten Techniken zur Linderung von Schmerzen, Wiederherstellung der Beweglichkeit und Verbesserung der Gelenkfunktion. Die Behandlung wird mit gezielten Handgriffen durchgeführt und ist individuell auf den Patienten abgestimmt.
4.2 Grundlagen und Prinzipien der Manuellen Therapie
Die manuelle Therapie beruht auf einem tiefgehenden Verständnis von Anatomie, Biomechanik und Neurophysiologie. Folgende Prinzipien stehen im Mittelpunkt:
- Gelenkmechanik verbessern → Durch gezielte Mobilisation werden Gelenkblockaden gelöst.
- Muskuläre Dysbalancen ausgleichen → Verspannte Muskeln werden gedehnt, geschwächte Muskeln gestärkt.
- Schmerzen reduzieren → Durch spezifische Techniken wird die Schmerzverarbeitung beeinflusst.
- Nervenmobilisation fördern → Verklebungen oder Engpässe von Nerven werden gelöst.
4.3 Indikationen – Wann wird manuelle Therapie eingesetzt?
Manuelle Therapie wird häufig bei folgenden Beschwerden angewandt:
4.3.1 Wirbelsäulenbeschwerden
- Bandscheibenvorfälle, Blockaden, ISG-Syndrom
- Chronische Rückenschmerzen, Skoliosen
4.3.2 Gelenkerkrankungen
- Arthrose (z. B. Kniearthrose, Hüftarthrose, Schulterarthrose)
- Instabilitäten nach Verletzungen oder Operationen
4.3.3 Muskuläre Dysbalancen & Verspannungen
- Myofasziale Schmerzen, Triggerpunkte
- Spannungskopfschmerzen, Migräne
4.3.4 Nervenkompressionen & -reizungeN
- Karpaltunnelsyndrom
- Ischialgien, Nervenwurzelreizungen
4.4 Untersuchung und Diagnostik in der Manuellen Therapie
Bevor eine Behandlung beginnt, führt der Therapeut eine umfassende Anamnese und körperliche Untersuchung durch:
4.4.1 Befunderhebung
- Schmerzlokalisation & Schmerzqualität
- Beweglichkeitstests (z. B. Neutral-Null-Methode)
- Muskelkrafttests (MMT - Manual Muscle Testing)
4.4.2 Palpation (Abtasten)
- Ertasten von Verspannungen, Verklebungen, Gelenkblockaden
4.4.3 Gelenkspiel-Analyse (Joint Play):
- Prüfung der Gelenkbeweglichkeit & Einschränkungen
4.5 Techniken der Manuellen Therapie
4.5.1 Gelenkmobilisation
- Langsame, rhythmische Bewegungen zur Lockerung von blockierten Gelenken
- Wird z. B. an der Wirbelsäule, Schulter, Hüfte oder den Knien angewendet
- Ziel: Verbesserung der Beweglichkeit & Schmerzlinderung
4.5.2 Traktion (Dekompressionstechniken)
- Gelenke werden durch leichten Zug entlastet
- Beispiel: Bei Bandscheibenvorfällen zur Druckminderung
- Effekt: Förderung der Nährstoffversorgung & Schmerzlinderung
4.5.3 Weichteiltechniken & Muskelenergietechniken
- Behandlung von verspannten Muskeln durch gezielte Dehnung oder Massage
- Aktivierung oder Entspannung der Muskulatur durch gezielte isometrische Anspannung
4.5.4 Manipulationstechniken („Chiropraktische Impulse“) – optional
Gelenkmobilisation
- Hochgeschwindigkeitsmobilisation mit geringer Amplitude
- Lösen von Blockaden durch gezielte „Impulse“ (oft mit hörbarem „Knacken“)
- Achtung: Diese Technik darf nur von spezialisierten Therapeuten ausgeführt werden!
4.5.5 Nervenmobilisation (Neurodynamik)
- Bewegungstechniken zur Förderung der Gleitfähigkeit von Nerven
- Beispiel: „Slump Test“ oder „Flossing“ bei Ischiasbeschwerden
4.6 Nervenmobilisation (Neurodynamik)
- Studien zeigen, dass manuelle Therapie in Kombination mit Bewegungstherapie effektiver ist als passive Maßnahmen allein.
- Besonders bei chronischen Rückenschmerzen oder Arthrose erzielt die Therapie gute Ergebnisse.
- Neurophysiologische Effekte: Durch Mobilisationstechniken werden schmerzlindernde Mechanismen im Nervensystem aktiviert.
4.7 Grenzen der Manuellen Therapie
Manuelle Therapie ist sehr effektiv, jedoch nicht immer ausreichend, z. B.:
- Bei strukturellen Schäden (z. B. schwerer Bandscheibenvorfall) → ggf. OP notwendig.
- Bei entzündlichen Erkrankungen (z. B. Rheuma in aktiver Phase) → Vorsicht geboten.
- Erfordert Eigenaktivität des Patienten → Übungen für langfristigen Erfolg essenziell.